...auf Herbergs Gitarre sind über die Jahre mit die schönsten Schlagzeugsoli entstanden, die es gibt...
[01.02.01] - "Wo andere Instrumentalisten der Gitarre enden, fängt er erst an." Die etwas ungelenke Formulierung eines Kritikers war als Lob gemeint - Lob für einen, der bislang nie im großen Rampenlicht stand und dennoch seit den Aufbruchsjahren der deutschen Gitarrenszene dabei ist: Martin C. Herberg, der im Mai 2000 sein 25-jähriges Bühnenjubiläum feiern kann, kennt man schon vom legendären Sampler "Acoustic Guitar Scene", der 1976 eine ganze Generation von Fans und Nachahmern in die Kunst des "sechssaitigen Orchesters" einweihte.
Wie ernst Martin C. Herberg diese Kunst noch nehmen würde, war damals gerade mal zu erahnen, denn da war der gebürtige Westfale (Jahrgang 1953) erst im Begriff, seinen Stil zu finden. Wie für so viele aus bürgerlichem Elternhaus hatte zur Allgemeinbildung das vorschriftsmäßige Erlernen eines Instruments gehört, und weil seinerzeit gerade die Musik der "Beatles" und "Stones" herüberschwappte, fiel die Wahl auf die Gitarre. Da man nicht binnen Tagen wie George Harrison klang, entwickelte Herberg in den ersten Gitarrenjahren keinen sonderlichen Ehrgeiz, machte Abitur und Zivildienst und begann - ohne musikalische Ambitionen - ein Germanistik- und Philosophiestudium. Erst das zwischenzeitliche Schockerlebnis, bei Andres Segovia zu hören, was sich auf einer Gitarre alles anstellen ließ, half ihm musikalisch auf die Sprünge und ließ den Funken zwischen den Polen Klassik und Jimi Hendrix überspringen. Mit dem neu gefundenen Anspruch an sich selbst fand er sich zu Flamenco-Seminaren ein, die Manolo Lohnes leitete. Auf die Bühne brachte ihn erst ein Zufall: Lohnes´ Begleitgitarrist war ausgefallen, Herberg sollte/ musste einspringen und tat dies nicht nur einmal. Bald erhielt er Solos innerhalb der Konzerte des Meisters und konzipierte ein halbstündiges Soloprogramm, mit dem er in Folk-Clubs auftrat. Und nachdem er so "quasi in die Szene reingerutscht" war, spielte er eines schönen Maitages 1975 in Marburg sein erstes abendfüllendes Solokonzert: "Das war dann der Beginn meiner Profikarriere."
Gitarren total
Dass Herberg diese Profikarriere 1976 mit einem Gitarrenstudium ("so richtig, an einer Musikhochschule") unterfüttern wollte, scheint ebenso typisch für ihn wie die Tatsache, dass er es 1978 wieder abbrach: "Ich habe nie versucht, irgendjemanden nachzuspielen. Ich finde klassische Musik toll. Aber von meinem Naturell her liegt mir das Spontane, das, was gute Rockmusik ausmacht, viel mehr." Weder das bequeme Platznehmen auf den Stühlen der Tradition noch der opportunistische Wechsel zwischen den jeweiligen Zeitgeistmöbeln war je seine Sache. Welche Phase von ihm man sich auch immer anhört - stets ist er das Risiko eingegangen, sich zwischen alle Stühle zu setzen, stets bietet er ein virtuos-ekstatisches Kaleidoskop aus verschiedensten Stilrichtungen. "Gitarren total" heißt folgerichtig sein Programm ohne jedes biedermeierliche 3-Minuten-Fingerstyle-Schmankerl (obwohl er derzeit denkt, dass man so etwas auch im Köcher haben müsste). Da tönt es aus einer einzigen Nylonsaiten-Gitarre orientalisch, indisch, atonal, rockig und dann wieder in schönsten New Age-Farben strahlend oder in polyrhythmischen Notenstrudeln wirbelnd wie fließendes Wasser. Mit seinen überlangen surrealistischen Psychedelic-Trips ganz ohne LSD und seiner Moderne ganz ohne akademisches Getue bleibt bei dem Kind der bunt schillernden Hippie-Jahre "der Einfluß des avantgardistischen Rock der Spätsechziger...doch deutlich vernehmbar" - der Einfluss einer Zeit also, wo Rock noch radikale künstlerische Selbstbefreiung predigte statt VW-Sponsoring.
Live
Seine Ungeduld mit den konventionellen Möglichkeiten des Instruments verleitet ihn immer wieder zu Klangexperimenten - von perkussiven Techniken (auf Herbergs Gitarre sind über die Jahre mit die schönsten Schlagzeugsoli entstanden, die es gibt) über elektronische Effekte bis hin zum Spiel mit dem Mikroständer als Greifhilfe und Bottleneck. Hits aus seiner Lieblingszeit ("Lady Madonna" oder "Paint It Black") bereitet er zu abenteuerlichen Weltreisen auf zwischen Tremolotechnik, Funk und Avantgarde, um im nächsten Augenblick die folkige Lockerheit in der Art des "Lochs in der Banane" zu verbreiten. Dabei kommt dieser eigentlich irritierende Mix absolut professionell und authentisch daher - wohl auch, weil er sich nach eigener Aussage ohne heißen Draht zu Leuten bei Fernsehen und Werbung frei entschieden hat: für seinen eigenen Weg ohne kommerzielle Alternative oder lukratives Ruhekissen.
Autark
Sein Ein-Mann-Label hat er darum auch selbstironisch "Lonesome Loser Records"genannt, verweist aber stolz darauf, dass er mit über 1.000 jährlich abgesetzten Tonträgern vermutlich einer der erfolgreichsten Vertreter einer totalen Independence ist, mit 90% der PR-Arbeit auf der Bühne selbst. Bei über 100 Auftritten im Jahr in kleinen Kunstcafés, Mühlen, Schulen, Rittergütern und manch fantasievoll benannter Kneipe verwandelt seine wuchtige Virtuosität biedere Kritiker zu überdrehten Sprachkünstlern: Vom "Saitenwundermann" jubeln sie nicht zu Unrecht, vom "Zauberer" und "Saiten-Paganini", von "übernatürlichem Gitarrenspiel" und vom "Hendrix der spanischen Gitarre", der mit einem "Fallschirm im Klanggewitter" schwebt. Wie das klingt, wenn die "sechs Hände des Martin C. Herberg" live eine Gitarre bearbeiten, kann man nun auch auf einer neuen Live-CD hören, die sich der Virtuose pünktlich zum Bühnenjubiläum gönnte. Herzlichen Glückwunsch!
Michael Lohr in Akustikgitarre
Derzeit sind keine Auftritte geplant